2024 Chemistry Inside

Chemistry Inside

Unser Körper ist ein wahres Wunderwerk. Kein Wunder also, das auch hier Chemie drin steckt. Wir schauen in unser tiefstes Inneres und zeigen 12 spannende Reaktionen, Stoffe und Wissenswertes innerhalb des menschlichen Körpers.

Das Standbyprogramm für die Zelle

Januar

Hitze, Giftstoffe, Viren – damit müssen sich unsere Zellen auseinandersetzen und werden so erheblich unter Stress gesetzt. Zum Glück haben sie bereits vor mehr als 100 Mio. Jahren einen Mechanismus entwickelt, damit umzugehen: Sie fahren die Neubildung und Reparatur zelleigener ­Proteine ­her­unter und sparen so Ressourcen. Essenziell für das Überleben der Zelle sind die aus zahlreichen Proteinen und Boten-mRNAs bestehenden, membranlosen Organellen, die sogenannten Stress-Granula.

Update für unser Gedächtnis

Februar

Die Neurogenese beschreibt das Entstehen der Neuronen. Sie erhalten und verarbeiten Reize und sind verantwortlich für Nachrichtenfluss und -Speicherung in unserem Körper. In den Neurowissenschaften galt lange Zeit das Dogma, dass alle Neuronen des zentralen Nervensystems während der embryonalen und frühen postnatalen Entwicklung gebildet werden. Inzwischen weiß man jedoch, dass z.B. in den Regionen Bulbus olfactorius und dem Hippocampus unseres Gehirns ein Leben lang Neuronen ­gebildet werden können.

Perfekt durchgetaktet

März

Warum werden wir müde und wann werden wir müde? Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young entschlüsselten in den 1980er-­Jahren, welche Mechanismen die zirkadianen Rhythmen steuern und haben 2017 dafür den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhalten. In dem hochsensiblen System spielt das körpereigene Hormon Melatonin eine wichtige Rolle. Es wird in der Zirbeldrüse aus Serotonin produziert. Tageslicht unterdrückt diesen Vorgang, in nächtlicher Dunkelheit aber wird jede Menge Melatonin ins Gehirn freigesetzt. Deshalb sind wir an trüben Wintertagen oft müde.

Hallo wach – Goodbye Adenosin

April

In unserem Gehirn sorgt das körpereigene Adenosin bei Überanstrengung für Ruhe und Entspannung. Dazu blockiert es die Ausschüttung von wach machenden Neurotrans­mittern wie Dopamin oder Noradrenalin. Coffein kann diese Adenosinrezeptoren besetzen, ohne sie dabei zu aktivieren. Das hält uns munter, steigert die Konzentrationsfähigkeit und auch die körperliche Leistungsfähigkeit. Genau genommen macht uns also der Kaffee am Morgen gar nicht wach, sondern sorgt dafür, dass wir nicht so schnell müde werden.

Volle Kraft voraus

Mai

Adenosintriphosphat ist der Brennstoff des Lebens. Oder anders gesagt: volle Power ATP! Es ist die wichtigste energetische Verbindung unseres Stoffwechsels und bringt uns so richtig in Schwung. Die in ATP gespeicherte Energie wird überall im Körper zur Aktivierung von Molekülen, Stoffwechselprozessen und chemischen Reaktionen eingesetzt. Wir benötigen genau diese Energie für Bewegung, Atmung, Herzschlag und kognitive Prozesse – einfach für alles, was wir tun. Und das können wir auch fühlen.

The (Cell)Circle Of Life

Juni

Apoptose beschreibt die natürliche Selbstvernichtung von Zellen, die sich kontrolliert und sorgfältig selbst zurückbauen. Die Einzelteile werden von ­Nachbarzellen aufgenommen und kommen an anderer Stelle wieder zum Einsatz. Dieses körpereigene Recyclingprogramm ist lebensnotwendig und beginnt schon im Mutterleib. So werden aus den paddelartigen Händen von Embryonen Finger geformt, indem sich die Zellen dazwischen gezielt zurückbilden. Aber auch im späteren Leben hilft uns die Apoptose – sie sorgt zum Beispiel bei der körpereigenen Abwehr dafür, dass sich infizierte Zellen selbst zerstören.

Licht im Schatten

Juli

Es gibt sie, die positive und wichtige biologische ­Wirkung der UV-Strahlen: die Bildung von körpereigenem Vitamin Ddurch UV-B-Strahlung. Das Einwirken dieser Strahlung sorgt dafür, dass das Provitamin in unseren Hautzellen in Prävitamin D3 umgewandelt wird. Über weitere Stoffwechselprozesse wird dann Vitamin D3 gebildet. Dieses benötigen wir für die Resorption von Calcium und Phosphat aus dem Darm sowie deren Einbau in unsere Knochen. Außerdem erhöht es die Resilienz unseres Immunsystems und sorgt dafür, dass es uns gut geht.

An apple a day

August

Schon vor Millionen von Jahren gab es Tiere, die gerne Obst gegessen haben – vorzugsweise das vergoren am Boden ­liegende. Glücklicherweise hatte die Natur ein Enzym ent­wickelt, das den Körper vor Vergiftung und Hirnschädigung durch Alkohol schützt: die Alkoholdehydrogenase. Wir besitzen fünf unterschiedliche Alkoholdehydrogenasen, die Alkohol in unserem Körper abbauen. Die ADH1 kommt in Magen und Leber vor und katalysiert den Abbau toxischer Alkohole, die mit der Nahrung – oder flüssig – aufgenommen wurden. Bei diesem Abbau entsteht das hochtoxische Acetaldehyd, welches auch sofort weiterverarbeitet wird.

Highway to cell

September

Mikrotubuli sind vergängliche Proteinstrukturen mit einer mittleren Lebensdauer von nur 10 Minuten. Im Zytoplasma unserer Zellen liegt in der Regel ein Gleich­gewicht zwischen polymerisiertem und depolymerisiertem Tubulin vor. Die ­Mikrotubuli werden also permanent aufgebaut und zerfallen an anderer Stelle ­wieder. Sie bilden eine Art Straße für Proteine, die diese mit Füßchen aus dem ­‚Motorprotein‘ Kinesin entlangwandern. Dabei werden die Proteine sowohl geschoben als auch gezogen. Ein echter Highway to Cell.

Under pressure

Oktober

Das Blutprotein Albumin gehört zu den wichtigsten Bindungs- und Transportproteinen in unserem Körper. Es ist Bestandteil der Gruppe der globulären Proteine und ist ein echtes Multitalent. Es sorgt zum einen für die Aufrechter­hal­tung des kolloid-osmotischen Drucks und ­bewirkt so, dass Wasser aus dem Gewebe in die Blutgefäße diffundiert. Und es vermittelt zusätzlich vielen, sonst wasserunlöslichen, Stoffen im Blut eine Wasserlöslichkeit, indem sie an Albumin gebunden werden. Das betrifft beispiels­weise Hormone, Vitamine und Fettsäuren.

Hormon auf Anschlag

November

Stress ruft Cortisol auf den Plan, und das hat eine ganze Menge Lösungen parat, wie wir diesen bewältigen ­können. Es aktiviert katabole Stoffwechselvorgänge und stellt dem Körper so energiereiche Verbindungen zur Verfügung. Die Cortisolbildung findet in Schüben statt und folgt damit einer zirkadianen Rhythmik. Es wirkt praktisch überall im Körper und hat unter anderem Einfluss auf den Blutzucker, den Fettstoffwechsel, wirkt entzündungshemmend und steigert ganz allgemein unsere Resilienz. Der Nachteil: Cortisol hemmt die Neurogenese! Stress also wenn möglich weitestgehend meiden.

Leise rieselt Selen

Dezember

Das Spurenelement der Extraklasse tut so einiges für uns und vielleicht wäre Selen ja das perfekte Geschenk unterm Weihnachtsbaum? Es sorgt bei den Zellen für die Abwehr gegen peroxidativen Stress und hilft so, oxidativen Zelltod zu vermeiden. Darüber hinaus spielt Selen bei der DNA-Synthese, der Zellteilung sowie dem Zellwachstum eine Rolle. Selen ist am Schilddrüsenstoffwechsel beteiligt und gilt als Booster für die Abwehrkräfte. Aber wie so oft kommt‘s auf die Dosis an, und reines Selen ist giftig. Das beste Geschenk zu Weihnachten sind also Nüsse und ein Weihnachtsessen mit Pilzen, Kohl und Hülsenfrüchten.